Olympische Impressionen von Hannes Baumann (49er-Segler)
 

Die Olympischen Spiele waren immer ein Kindheitstraum für mich. Natürlich eher ein ferner, denn für einen Opti- und Lasersegler, der ich ja auch war, ist es noch so weit weg. Trotzdem war ich begeistert von der Idee der Olympischen Spiele und wollte unbedingt einmal dabei sein.
 
Nachdem ich bei der Qualifikation für die Olympischen Spiele 2008 "nur" Zweiter geworden war, hat es dieses Mal geklappt. Mit meinem Steuermann Tobias Schadewaldt konnten wir die erforderlichen Qualifikationsregatten für uns entscheiden und auch den internationalen Klassennachweis erbringen, so dass wir vom Deutschen Olympischen Sportbund nominiert wurden.
 
Wir haben uns langfristig und intensiv auf diesen persönlichen und sportlichen Höhepunkt vorbereitet. In den Monaten vor Olympia drehte sich bei uns natürlich alles nur ums Segeln und wir trainierten sehr intensiv. Diese Zeit war sehr anstrengend, auch deshalb, weil für uns als Olympiakader plötzlich noch sehr viele zusätzliche Verpflichtungen hinzu kamen (Materialtests, Pressetermine, Fernsehaufnahmen, Sponsorengespräche, Vorbereitungs-Workshops, Olympia-Einkleidung usw.). Als die Reise nach England dann endlich losging, waren wir sehr froh und gleichzeitig entspannt, denn die harte Arbeit lag nun hinter uns. Wir waren sehr stolz und wollten natürlich unser Bestes geben – Olympia aber auch genießen.

Ein erster Höhepunkt war die Eröffnungsveranstaltung in London,  zu der wir extra gefahren wurden. Wir waren vom Olympischen Flair sehr beeindruckt und genossen mit den Sportlern der anderen Nationen diese grandiose Show.
 
Der Hafen und das Olympische Dorf in der Seglerstadt Weymouth boten beste Voraussetzungen. Die Stimmung war gut und die Atmosphäre unter den Seglern fast schon familiär. Letztlich kannten wir uns ja alle bereits seit Jahren und waren es gewohnt, anständig und fair miteinander umzugehen – auch, wenn dieses Mal die Situation natürlich wesentlich angespannter war.
 
Am 30. Juli begannen dann unsere Wettkämpfe. Für die 49er waren 15 Rennen plus das Medalrace geplant. Unsere persönliche Zielstellung war, unter die TopTen zu kommen, was durchaus auch realistisch war. Um es aber gleich vorweg zu nehmen, dieses Ziel haben wir leider knapp verfehlt. Eine Häufung von unglücklichen Umständen hat uns bereits zu Beginn ziemlich zurückgeworfen. Gleich im ersten Rennen fabrizierten wir mit ca. 20cm einen Frühstart und da wir uns nicht sicher waren, entschieden wir uns zu spät, zu korrigieren, so dass wir nur 17. wurden. Auch im zweiten Rennen wollte uns das Pech nicht verlassen. An dritter Position liegend, bekamen wir am Lee-Gate den Gennaker nicht runter und verloren neun Plätze. Im Fall hatte sich eine Schlaufe gebildet, die dann natürlich nicht durch die Rolle wollte. Durch eine rasante Aufholjagd konnten wir zwar wieder auf den fünften Platz vorfahren, so richtig zufrieden waren wir aber nicht. Wir mussten feststellen, dass wir diesen Tag zu hektisch und nervös angegangen waren, was sich auch gleich rächte.
 
Als wenn das noch nicht genug wäre, sollte der zweite Tag unser schwärzester werden. Tobias plagte eine Magen-Darmverstimmung, so dass wir uns mehr recht als schlecht über den Kurs quälten, in beiden Rennen kenterten und jeweils Letzter wurden. Nach vier Rennen waren wir 18. von 20 und hatten bereits ein gehöriges Punktekonto. Uns war zum Heulen zumute und die Nerven lagen natürlich blank. Es zeigte sich wieder einmal, dass Olympia doch seine eigenen Gesetze hat und man neben sehr guten sportlichen Voraussetzungen vor allem auch starke Nerven haben muss.
 
Resignieren oder Aufgeben kam aber nicht in Frage, zumal ja noch 11 Rennen vor uns lagen. Die nächsten segelten wir dann auch solider und konnten uns u.a. mit sechs TopTen-Plätzen – davon ein dritter und ein erster – so langsam wieder nach oben arbeiten. Vor den beiden letzten Rennen lagen wir dann auf dem 13. Platz und hatten noch eine reelle Chance, ins Medalrace zu kommen. Es lief auch alles gut, die drei vor uns Platzierten konnten wir tatsächlich überholen, so dass wir den zehnten Platz schon vor Augen hatten. Leider hatten wir aber nicht mit den Italienern gerechnet, die noch klar hinter uns waren aber ausgerechnet an diesem Tag einen fünften und ersten Platz belegten, was reichte, um bei diesen engen Punktabständen, an uns allen vorbeizuziehen. Am Ende blieb uns der undankbare 11. Platz und wir mussten uns das Medalrace als Zuschauer ansehen.
 
Natürlich waren wir darüber sehr traurig, fingen uns aber wieder und trösteten uns damit, dass wir wirklich gekämpft hatten aber auch das Erlebnis "Olympische Spiele" miterleben durften. Dennoch fährt man dort natürlich hin, um gute Plätze zu belegen. Die internationale Leistungsdichte hat aber zugenommen und das Gros der 49er-Segler war so ausgeglichen, dass – abgesehen von Platz eins und zwei – bis zum 15. Platz alle für die Bronzemedaille gut gewesen wären. Einer kann sie aber nur gewinnen und so ist auch für viele andere ein Traum zerplatzt. Der zweite Tag hatte uns zu sehr reingerissen, was wir nicht mehr kompensieren konnten. Allein, wenn wir an diesem Tag zweimal um den 10. Platz angekommen wären, hätte es gereicht, um ganz vorn mit dabei zu sein. Hätte und Wenn und Aber zählt aber nicht, deswegen soll das Ergebnis auch nicht beschönigt werden. Wir haben bei unseren ersten Olympischen Spielen Lehrgeld bezahlt, lassen uns davon aber nicht entmutigen und planen bereits für die Zukunft, die wir auch zusammen segeln wollen. Vielleicht schaffen wir sogar noch eine weitere Olympiateilnahme, wo wir dann mit wesentlich mehr Erfahrung und auch größerer Routine an den Start gehen werden.
 
Nach unseren Wettkämpfen fuhren wir nach London und konnten noch andere Sportstätten besuchen und nahmen auch an der Abschlussveranstaltung teil, die ebenfalls sehr beeindruckend war.

Ein Höhepunkt war dann natürlich die Rückfahrt der deutschen Mannschaft auf der "MS Deutschland" von London nach Hamburg. Dort wurde uns ein grandioser Empfang von Zehntausenden begeisterten Menschen bereitet. Sie waren alle so positiv gestimmt, so begeistert von "ihrer" Olympiamannschaft – das war für uns ein ganz tolles Gefühl. Es ging dabei weniger um den einzelnen Spitzensportler sondern mehr um die Idee und die Mannschaft als Ganzes. Alle wurden ausnahmslos gefeiert und es wurde ihnen das Gefühl gegeben, dass jede Leistung gewürdigt wird.
 
Die Olympischen Spiele werden noch lange als ein Höhepunkt unserer sportlichen Entwicklung in Erinnerung bleiben. Wir wissen aber auch, dass wir es ohne die Unterstützung und den Beistand von Partnern, Sponsoren und Förderern nicht geschafft hätten, uns in der 49er-Weltspitze zu etablieren. Natürlich mussten wir auch persönlich auf so manches verzichten, die berufliche Ausbildung bzw. das Studium unterbrechen, fast die gesamte Freizeit dem Sport opfern und unsere Familien hinten anstellen. Dazu braucht man einen eisernen Willen und muss davon beseelt sein, einmal an Olympischen Spielen teilnehmen zu wollen.
 
Hannes Baumann
Yachtclub Berlin-Grünau

Team Schadewald-Baumann

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